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Ihre Ausbildung zum Naturcoach könnte schon heute beginnen.

Unsocial Media

  • Dirk Stegner
  • Untertitel Text: Abseits der Herde: Ein kleiner Selbstversuch

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Unsocial Media

Abseits der Herde: Ein kleiner Selbstversuch

Fast ist es schon so etwas wie ein kleines Ritual geworden, mit dem ich meinen Tag beginne. Ähnlich wie die kurze morgendliche Meditation oder das Gassigehen mit den Hunden. Ich verpasse der Maus einen Stupser und wecke damit meinen Rechner aus seinem leichten Standby-Schlaf. Ein Klick und die Facebookseite ist geöffnet. Wie ferngesteuert scrolle ich durch die Timeline.

Mein Gott, was da schon wieder alles los ist. Einige Bekannte haben ihre Ängste oder ihren Frust an politischen Berichten über die Corona-Krise abgearbeitet. Ich kann sie zwar gut verstehen, aber eigentlich wollte ich mich darüber ja gar nicht mehr aufregen. Perspektivenwechsel! „Okay, mal sehen, da muss es doch auch Positives geben.“ In der VW-Käfer-Fangruppe ist es hingegen gewohnt konstruktiv. Losgelöst von politischen Querelen wird hier kreativ, wie eh und je, nach technischen Lösungen für diverse Probleme gefahndet. Auch die Verwandtschaft aus Norwegen hat idyllische Winterbilder gepostet. Meine Gedanken wandern sehnsüchtig in den hohen Norden, während ich unaufhörlich mit dem Finger auf dem Mausrücken immer weiter durch die einzelnen Beiträge gleite. Ach schau mal hier! Ein verlockendes Werbeangebot für ein neuartiges Tablet im EBook-Style. Schreiben, wie auf Papier. Klingt interessant, gleich mal checken, ob das nicht auch was für mich wäre.

KEIN KOMPLETTER AUSSTIEG

Ein kurzer Blick auf die Uhr reißt mich dann jäh aus meinem allmorgendlichen Informationsgelage. „Mist, schon so spät!“ Ich stelle fest, dass ich auf diese Weise bereits mehr als eine Dreiviertelstunde Zeit verbraten habe. Mit welchem Ergebnis eigentlich? Ich blicke zu Kerstins Schreibtisch und sehe, dass auch sie wie gebannt die Beiträge ihres Facebook-Accounts sichtet und kommentiert. Schon Wahnsinn, wie viel Zeit ich bereits pro Tag mit dieser Beschäftigung verbringe. Und ich bin sicherlich noch einer derjenigen, die Facebook in recht geringem Umfang nutzen, habe mein Handy ja sogut wie nie dabei. Kurz nachgerechnet ergibt sich knapp über eine Stunde täglich, die ich auf diese Weise verbringe. Was wäre, wenn ich diese Zeit wieder für andere Dinge nutzen würde? Bin ich vielleicht sogar weniger genervt, wenn ich nicht mehrmals täglich die Meinungen und Befindlichkeiten anderer Menschen ungefragt aber freiwillig abbekomme? Kommt auf einen Versuch an. Ich will nicht ganz aussteigen, denn ich möchte zu einigen fernen Freunden und Familienmitgliedern den Kontakt nicht gänzlich einstellen. Aber einmal pro Woche sollte zu diesem Zweck allemal ausreichen. Nachdem ich ihr von meinem Plan erzählt habe, macht auch Kerstin spontan mit und wir beschließen beide, unser „Ritual“ mal eine Weile zu verändern und uns stattdessen auf das reale Leben zu konzentrieren. Fühlt sich noch etwas komisch an, aber doch auch irgendwie gut.

VERÄNDERUNGEN TRETEN EIN

Bereits nach einer Woche stellen wir beide positive Veränderungen an uns selbst fest. Durch den Wegfall des hochdosierten Informations- und Meinungsbombardements fühlen wir uns innerlich ruhiger. Auch der anfängliche Entzug und die Furcht, irgendwas zu verpassen oder von irgendwem nicht erreicht werden zu können war relativ schnell verflogen. Stattdessen fühle ich mich konzentrierter, bin mehr bei mir und meinen eigenen Angelegenheiten. Die Gedanken sind klarer und ich bin erstaunt, was ich aktiv nun mit der zusätzlichen täglichen Stunde, alles anfangen kann, die ich jetzt wieder für mich habe. Mit etwas Distanz scheint es mir fast unverständlich, warum ich vorher diesen inneren Drang verspürte, in meinem „Facebook“ zu blättern. Was macht dieses Medium denn so verlockend, ähnlich dem Zuckernachschub des guten Stücks Schokolade auf meinem Schreibtisch? Sicher kann jeder diese Frage nur für sich beantworten. Bei mir ist es tatsächlich die Furcht etwas verpassen zu können. Irgendetwas ohne soziale Medien nicht zu erfahren, das privat oder beruflich ein echter Vorteil für mich wäre. Und natürlich auch ein bisschen Klatsch und Tratsch, nur digital eben.

FACEBOOK VERMISST UNS

Nach knapp einer Woche scheint uns Facebook zu vermissen. Sie senden uns beispielsweise E-Mails, dass „Freunde“ etwas gepostet hätten. Manchmal kommt auch eine „Freundschaftsanfrage“, die sich bei genauem Hinsehen lediglich als Liste möglicher Bekannter entpuppt. Scheinbar ist das Netz süchtiger nach uns, als wir nach ihm. Mittlerweile kann ich dem Drang des schnellen Klicks gelassen widerstehen. Wer mich gerne erreichen möchte, der wird dies dank meiner Website sicher auch ohne das soziale Medium oder telefonisch schaffen. Aber ein bisschen genauer interessiert mich das Phänomen jetzt schon. Wie kommt dieser „Suchteffekt“ zustande? Nach etwas Recherche werde ich schnell fündig. Künstliche Intelligenz ist hier das Zauberwort. Einfach ausgedrückt, versorgen mich bestimmte Algorithmen genau mit den Informationen, die ich besonders interessant finde. Bildlich gesprochen lernt das System durch mein Verhalten, welche „Schokoladensorte“ mir am besten schmeckt und versorgt mich fortan auch ständig gezielt damit. Auswertungen meines Surfverhaltens, Mauszeigerbewegungen sowie Verweil- und Lesedauer der Posts bestimmen das künftige Süßigkeitenangebot. Je länger ich im System beschäftigt bin und je besser mich dieses dadurch kennenlernt, desto umfänglicher und gezielter kann es mich im Anschluss mit bezahlter Werbung versorgen. Klar, scheinbar gilt auch hier die alte Weisheit „Zahlst Du nicht für ein Produkt, bist Du das Produkt.“

GEFANGEN IN DER ENDLOSSCHLEIFE

Als Mensch und Natur-Coach beunruhigen mich zwei Dinge: Neben der Gefahr von einem solchen „Belohnungssystem“ endlosschleifenartig ständig beschäftigt zu werden, entsteht insbesondere bei jungen Menschen und exzessivem Konsum die Gefahr, geistig in einer künstlichen Informationsblase „hängenzubleiben“. Da das System darauf ausgerichtet ist, hauptsächlich die Informationen zu liefern, die die jeweilige Person als interessant ansieht, besteht die Gefahr, dass so ein völlig verzerrtes Bild der Realität entsteht. Auch wenn meine Freundschaftsliste vielleicht sehr heterogen zusammengesetzt ist, dringen irgendwann nur noch die Informationen zu mir durch, die auch meinem „künstlichintelligent ermittelten“ Gusto entsprechen. Kritische oder blickwinkelveränderte Beiträge fallen schlicht aus meiner Timeline. Ein konstruktiver Austausch, wie er in der lebendigen Realität stattfinden würde, bleibt meist aus. Ganz zu schweigen davon, dass Kommentare bestimmter Menschen mich ungefragt im realen Leben nie erreichen würden.

von Dirk Stegner

19. Februar 2021

„[...] Exakt. Die Energie folgt immer der Aufmerksamkeit. Nur was, wenn diese zu einem großen Teil nicht mehr Dir und Deiner Umwelt gilt, sondern vielmehr irgendwelchen Apps und deren Meldungen auf Deinem Handy? [...]“

Auszug aus: Dirk Stegner. „Trennungsgedanken.“

Auf diese Weise, haben sich die sozialen Netzwerke mittlerweile leider weit von dem entfernt, wofür sie einst geschaffen wurden. Statt Menschen zu vernetzen und einen Austausch auf persönlicher Ebene zu unterstützen, bringen sie sie immer weiter auseinander. Komfortable digitale Meinungsblasen verhindern immer öfter den zukünftigen Kontakt im realen Leben. Es entsteht ein zunehmend unnatürlich aufgebautes Konstrukt, welches aber speziell von der jüngeren Klientel - mangels alternativer Erfahrungen – als real eingestuft wird.

WIEDER IM URSPRÜNGLICHEN SINNE

Mein Fazit: Auch wenn ich mich persönlich sicherlich weit ab von dem befand, was die Fachwelt als süchtigen Gebrauch sozialer Medien bezeichnen würde, war ich erstaunt, wie hartnäckig oft das Zucken im rechten Zeigefinger war. Das Resultat der selbst auferlegten Beschränkung entschädigte mich allerdings für die Bemühungen in vielfacher Weise. Facebook ist für mich, dank wohl dosiertem Einsatz wieder genau das geworden, was es meiner Meinung nach auch ursprünglich sein sollte: ein sinnvolles Hilfsmittel und kein Beschäftigungsprogramm. Media ja, sozial nein, so könnte man das Ergebnis meines Selbstversuchs vielleicht noch besser umschreiben. Gerade der Verzicht ließ mich wieder öfter zum Telefonhörer greifen und hätte ohne Corona-Lockdown wohl sicherlich dazu geführt, dass man reale Freunde in der gewonnenen Zeit häufiger besucht oder sich getroffen hätte. Zur Nachahmung also wärmstens empfohlen.

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Anders als gedacht

  • Dirk Stegner
  • Untertitel Text: Frohe Weihnachten und ein gesundes Neues

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Anders als gedacht ...

Frohe Weihnachten und ein gesundes Neues

Für die meisten war 2020 sicherlich nicht einfach und wir alle haben uns das Neue Jahr am letzten Silvesterabend wohl doch etwas anders ausgemalt. Aber gut, manchmal muss man eben schlicht das Beste aus dem machen, was einem das Leben bietet. Und das war die vergangenen Monate vor allem eines, nämlich die Möglichkeit zur Veränderung.

Einer meiner Lieblingsautoren Neale Donald Walsh brachte es schon vor einigen Jahren mit einem Titel seiner Bücher auf den Punkt: „Wenn alles sich verändert, verändere alles.“ So könnte durchaus - Richtung Zukunft blickend - auch das Motto für 2021 lauten. Nichts ist schließlich so beständig wie der Wandel.

Anstatt Altem nachzutrauern, gilt es nun sich neu zu strukturieren, sowie alte Denkmuster auf den Prüfstand zu stellen. Neue Möglichkeiten zu finden und nicht krampfhaft an der Vergangenheit festzuhalten. Sich selbst zu verändern, statt verändert zu werden oder gar zum Spielball fremder Entscheidungen zu mutieren.

Die anbrechenden Rauhnächte und die ruhigeren Tage in Zeiten des Lockdowns laden förmlich dazu ein, sich im wahrsten Sinne des Wortes wieder zu „besinnen“. Erholsame Spaziergänge in der Natur unterstützen den Prozess des „sich Klarwerdens“ und helfen den eingeengten Blickwinkel etwas zu weiten. Weihnachten mal anders als gedacht, aber vielleicht ist es ja Zeit für Neues.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen / Euch ein wunderschönes Weihnachtsfest und freue mich bereits jetzt darauf Sie / Euch nächstes Jahr im Rahmen meiner Veranstaltungen auch wieder persönlich treffen zu können. Einen guten Rutsch, viel Gesundheit und ein erfolgreich verändertes Neues Jahr!

von Dirk Stegner

23. Dezember 2020

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Den Menschen wieder sehen

  • Dirk Stegner
  • Untertitel Text: Vorurteile, Inseldenken und Gruppenzwang loswerden

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Den Menschen wieder sehen

Vorurteile, Inseldenken und Gruppenzwang loswerden

Heiße Debatten, emotional aufgeladene Dialoge und eine Menge pauschalisierter Vorwürfe in jedwede Richtung begegnen mir diese Tage fast an jeder Ecke. Und auch wenn ich mich an manchem Schlagabtausch gerne beteiligen würde, lasse ich es lieber sein. Nicht weil ich Angst habe und ebenfalls nicht, weil ich meine, durch vornehme Zurückhaltung zu einem besseren Menschen werden zu können. Ich sehe vielmehr, dass zahlreiche dieser „Diskussionen“ häufig leider tief unter der Gürtellinie enden, verletzen und die teilnehmenden Protagonisten nur noch weiter auseinanderbringen, statt nach dem reinigenden Wortgewitter wieder zu einem gemeinsamen „Leben und Leben lassen“ zurückzufinden. Die Welt scheint sich zunehmend in zwei Flügel aufzuspalten. Zum einen in die Gruppe derer, die meine Auffassung teilen. Und dann gibt es noch die anderen. Die, die grundsätzlich gefährlich sind, weil sie unterschiedlicher Meinung sind. Es zählt dabei immer weniger, wer, wie und was ich als Mensch bin.

AB IN DIE SCHUBLADE.

Gleichzeitig wächst zudem der gesellschaftliche Druck, sich für das eine oder andere Lager entschließen zu müssen, und genau das fällt mir persönlich zunehmend schwerer. Es ist nicht, dass ich mich nicht entscheiden könnte. Mein Problem ist, dass ich als Mensch nicht in diese Schubladen passe, die mir da angeboten werden. Wenn ich ehrlich bin, will ich das auch gar nicht, denn die Fächer sind meist sehr eng, scharfkantig und dazu noch in schlichtem Schwarz oder Weiß gehalten. Ein Beispiel ist die jüngst aufgrund eines aktuellen ARD-Beitrags wieder neu entbrannte Diskussion über Alternativmedizin versus wissenschaftlich evidente Schulmedizin. Arzt gegen Heilpraktiker. Entweder, oder. Während die eine Gruppe auch für noch unbewiesene, aber in vielen Einzelfällen zielführende Ansätze offen ist, sieht das „gegnerische“ Lager darin grundsätzlich eine Gefahr für die öffentliche Moral und Gesundheit. Das Schubladendenken mündet unweigerlich in einer Gut-oder-böse-Sicht auf beiden Seiten. Gedankliche Trennung und sich weiter verhärtende Fronten, statt eines gemeinsamen Miteinanders sind die traurigen Folgen.

BIST DU NICHT FÜR UNS, ...

Man fühlt sich manchmal fast schon dazu genötigt, sich dem einen oder anderen Lager anschließen zu müssen. Versuche ich, mein Verhalten zu ändern, und kuriere meine kleineren Wehwehchen mit homöopathischen Globuli, höre ich aus der Fraktion der Schulmedizinfans gleich den Vorwurf, was für ein „Alternativer“ und „Traumtänzer“ ich doch sei. Schließlich gäbe es ja keine wissenschaftlich evidenten Beweise für deren Wirkung. Ja, gut, aber bei mir, wie bei vielen anderen im Übrigen auch, funktionieren die kleinen Kügelchen und mehr erwarte ich von einer „Medizin“ in dieser Situation tatsächlich nicht. Gleichzeitig verurteilt mich die Gruppe der „Hard-Core-Homöopathiefans“, wenn ich beim Zahnarztbesuch nicht auf eine amtlich schulmedizinisch wirksame Spritze gegen die bei der Behandlung auftretenden Schmerzen verzichte. Aber warum sollte ich auch? In diesem Zustand ist sie für mich persönlich eben das Mittel der Wahl, das mir bestimmte Leiden erspart.

Im Laufe meines Lebens habe ich viele Schulmediziner kennengelernt, die die Alternativmedizin in einigen Bereichen auf sehr sinnvolle Weise in ihre tägliche Arbeit zu meinem Wohl als Patient integriert haben. Ich habe ebenso zahlreiche Heilpraktiker getroffen, die erfolgreich und fast Hand in Hand mit Ärzten zusammenarbeiten, um beispielsweise unnötige Nebenwirkungen von Medikamenten in bestimmten Fällen zu vermeiden. Es gibt also auch jetzt bereits ein Miteinander. Eine Kooperation, die auf persönlicher Ebene geprägt ist von gegenseitigem Respekt, kollegialem Austausch und fachlicher Neugier. Ein gemeinsamer Lernprozess, der zeitweise sicherlich die beteiligten beider Lager ein Stück weit aus ihrer Komfortzone zwingt, der sich aber vielfach lohnt. Vor allem dann, wenn man sich das eigentlich übereinstimmende Ziel aller Parteien wieder vergegenwärtigt, nämlich die Gesundheit und das Wohl des Patienten. Dieses lässt sich sicher gemeinschaftlich leichter erreichen als alleine.

von Dirk Stegner

18. November 2020

„Je mehr sich der Mensch von der Natur als getrennt wahrnimmt, desto weiter verlegt er, bildlich gesprochen, seinen Hauptwohnsitz in genau so eine 'virtuelle Glaskuppel'. Er distanziert sich zusehends von den Mitmenschen und übernimmt zunehmend die „Gesichtszüge“ jener technischen Spielzeuge, die er so sehr schätzt.“

Auszug aus: Dirk Stegner. „Trennungsgedanken.“

EINSAM AUF MEINER INSEL

Die Abspaltung von „den dummen anderen“ bringt ein weiteres Problem mit sich. Der Mensch als Individuum gerät aus dem Fokus und damit auch die Menschlichkeit. Die einzelne Person, mit all ihren interessanten Wesenszügen und manchmal fast schon liebevolle Marotten, verschwindet in der Masse derer, die ich vielleicht unabsichtlich in eine Schublade gepackt und den Schlüssel dazu weggeworfen habe. Ich isoliere mich auf diese Weise zunehmend selbst und ziehe auf meine einsame Insel, auf der die Welt scheinbar noch in Ordnung ist. Eine Zeit lang mag diese Strategie, der Ruhe und persönlichen Neuorientierung wegen, sicher sinnvoll sein. Auf Dauer ist sie definitiv keine Lösung. Durch den Rückzug beraube ich mich grundsätzlich all der Möglichkeiten, die das Leben als solches mir bietet. Irgendwann kann ich dort nichts Neues mehr erfahren. Ich entwickle mich nicht weiter, denn für Lern- und Lebenserfahrungen brauche ich auch anderes Leben in meinem Umfeld. Und sei es nur deshalb, um festzustellen, dass ich etwas davon doch nicht mag.

Pauschalurteile und Meinungen aus zweiter Hand heizen diese Form der Lebenskultur nur weiter sinnlos an. Es entsteht eine regelrechte „Insellandschaft“ mit vielen privaten und unzugänglichen Eilanden. Aus der Ferne kann ich irgendwann nur noch die Inseln wahrnehmen, aber nicht mehr den einzelnen Menschen, der auf ihr lebt. Will heißen: Statt das Individuum mit all seinen persönlichen Stärken und Schwächen an- und wahrzunehmen, entscheide ich hinsichtlich meiner weiteren Vorgehensweise nur noch anhand seiner „Inselzugehörigkeit“ und nicht aufgrund des tatsächlich gewonnenen Eindrucks seiner Person. Mein Gegenüber ist plötzlich nicht mehr Hans Müller, sondern nur noch der „Alternativfuzzi“, Impfgegner oder gar „Corona-Leugner“. Die ureigenen Beweggründe, Lebensumstände und -geschichte des Menschen sind sprichwörtlich in diesem Moment der „Inselverbannung“ mit einem Schlag ins Wasser gefallen.

ZURÜCK AUFS FESTLAND

Die Frage ist, ob ich dieses Schubladenspiel im Alltag überhaupt weiter mitspielen möchte oder vielleicht sogar muss? Kann die moderne digitale Gesellschaft nur noch Schwarz und Weiß? Ich glaube nicht! Die vielen Inseln, die sich in den letzten Jahren herausgebildet haben, lassen sich auch ganz einfach in einen Teil des Festlandes zurückverwandeln. Alles, was dazu nötig ist, ist der Versuch im Alltag wieder häufiger den Menschen hinter der „Schubladenfassade“ zu sehen. Sich nicht von kollektiven Denkmustern ablenken zu lassen, sondern selbst aktiv zu werden und sich ein Bild von seinem Gegenüber zu machen. Und zwar bitte ein eigenes! Mit einem freundlichen Lächeln und einem kleinen Vorschuss an Vertrauen, nimmt die Sache schnell Fahrt auf. Angst, Hass, Missmut und Ablehnung verschwinden, ein offener Austausch entsteht. Auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, so bleiben zumindest der gegenseitige Respekt und die Möglichkeit sich jederzeit auf Augenhöhe zu begegnen. Die Insel ist Geschichte, denn vielleicht erfahre ich ganz nebenbei etwas mehr über Hans Müller und kann seine Beweggründe wenigstens ein kleines bisschen nachvollziehen, selbst dann, wenn sie nicht meiner Überzeugung entsprechen. Genau in diesem aktiven Austausch auf persönlicher Ebene liegt kein Risiko, sondern eine Chance. Meine Chance an dieser Begegnung zu wachsen und vielleicht sogar Neues dank ihr zu lernen und mich als Einzelwesen weiterzuentwickeln. Wer will schon für immer da stehen bleiben, wo er sich gerade befindet?

Sich tatsächlich wieder die Mühe zu machen, den einzelnen Menschen zu sehen, also nicht den „geldgeilen Geschäftemacher“, den „dumm herumnervenden Verschwörungstheoretiker“ oder die „naiven Weltverbesserer“, ist der erste Schritt, das eigene Inseldasein bewusst zu beenden. Wer auf diese Weise die Koffer packt und sich über das trennende Wasser hinweg auf gemeinsames Territorium begibt, wird erstaunt sein, wie menschlich es dort zugeht. Wie angenehm das Leben plötzlich doch sein kann, dank der neu gewonnenen mentalen „Bewegungsfreiheit“. Und all das nur, weil ich ihn jetzt wieder sehen kann. Den Menschen, da hinter der Fassade.

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Erfolgreicher Abschluss

  • Dirk Stegner
  • Untertitel Text: für die Teilnehmerinnen aus Deutschland und der Schweiz

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Erfolgreicher Abschluss

Für die Teilnehmerinnen aus Deutschland und der Schweiz

Am 16. August ging die Natur-Coaching-Ausbildung für die Teilnehmerinnen des Durchgangs 2019 / 2020 erfolgreich zu Ende. Bei schweißtreibenden Temperaturen durften sie nach der rund 10-monatigen Ausbildung noch einmal abschließend ihr Können in einer theoretischen und praktischen Prüfung unter Beweis stellen.

Bis dahin war es diesmal kein ganz leichter Weg. Die Einschränkungen durch Corona, die beim Start im Oktober 2019 sicher keiner absehen konnte, verlangten oft wesentlich mehr Flexibilität von allen, als sonst üblich. Gemeinsam aber, haben wir auch diese Schwierigkeiten gemeistert. Speziell hierfür noch einmal ein herzliches Dankeschön für das gute Gelingen.

Den frischgebackenen Natur-Coaches aus Deutschland und der Schweiz wünsche ich für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg bei Ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit.

von Dirk Stegner

17. August 2020

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Von wegen perfekt!

  • Dirk Stegner
  • Untertitel Text: Vom Perfektionswahn zur kollektiven Unzufriedenheit

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Von wegen perfekt!

Vom Perfektionswahn zur kollektiven Unzufriedenheit

Es ist schon einige Jahre her, da kam in mir die Frage auf, warum ich mir mit dem Layout und der Erstellung meiner Internetseite immer so schwertat. Bei Kundenprojekten hatte ich meist sofort ein klares Bild vor Augen und die Arbeit lief bereits von der Planungsphase an wie geschmiert. Doch meine eigene, Fehlanzeige. Ich erstellte einen Entwurf nach dem anderen, aber kein Design war perfekt genug. Vielleicht hier noch etwas ändern oder da leicht anpassen. Immer wieder entdeckte ich kleine Fehler, die außer mir, wohl niemand sonst wahrnahm. Jedoch sah ich sie und das ließ mir damals keine Ruhe. Ich benötigte stets gut die doppelte, manchmal sogar die dreifache Zeit, die ein „normales“ Projekt in Anspruch genommen hätte.

Eine ähnliche Unzufriedenheit, wie ich sie damals in eigener Sache empfand, begegnet mir heute leider wieder fast täglich. Egal ob im Restaurant, beim Lebensmittelhändler an der Ecke, ja selbst im privaten Kreis. Nichts und niemand ist mehr sicher vor diesem Gefühl, dass sich viral auszubreiten scheint. So wie ein Lächeln, ist wohl leider auch die Frustration ansteckend, insbesondere dann, wenn man sie an anderen auslässt. Und das spüren zur Zeit vor allem die, die für Königin und König Kunde tägliche die roten Teppiche ausrollen dürfen.

In einer Zeit, in der das Fernsehen Kochen, Shopping oder Heiraten zum öffentlichen Wettbewerb erklärt hat, steigt eben nicht nur die Anzahl der selbsternannten Jurymitglieder rasant an, sondern mit ihr auch die Höhe der Messlatte für die eigenen Ansprüche. Ist die bestellte Hochzeitstorte zum Beispiel nicht so perfekt wie die aus der TV-Show, wird für Penible, der schönste Tag im Leben schnell zur herben Enttäuschung. Und schuld daran sind natürlich immer die Anderen. Durch die hohe Ansteckungsrate, gegen die leider auch kein Mund-Nasen-Schutz etwas auszurichten vermag, wächst das Heer der nörgelnden, stets unzufriedenen Perfektionisten in Deutschland offensichtlich immer schneller an.

An dieser Stelle frage ich mich, wie die Natur das eigentlich macht? Wenn ich die Blütenpracht im Frühling betrachte, zieht mich ihre Perfektion noch immer regelmäßig in ihren Bann. Jede Blüte besticht mit einer farblichen Strahlkraft, heiterer Leichtigkeit und unbeschreiblicher Eleganz, der nicht nur die zahlreichen Bienen erliegen, die sie emsig umschwirren. Doch, würde ich mir die einzelnen Blütenblätter deutlicher unter einer Lupe betrachten und miteinander vergleichen, würde ich sicherlich schnell fündig. Von wegen perfekt! Kein Blättchen ist wie das andere! Oder liegt vielleicht genau in dieser gemeinschaftlichen Einzigartigkeit das Geheimnis?

Der Drang hin zu einer gewissen Perfektion lässt sich augenscheinlich also auch in freier Wildbahn beobachten. Allerdings mit einem kleinen Unterschied: Die Natur strebt nach einer Form der harmonischen Balance und nicht nach einem von außen und meist durch andere vorgegebenen Idealbild. Und genau das hat gravierende Folgen. Während der natürliche Perfektionismus seine Befriedigung in der Selbsterfahrung und Umsetzung der individuellen „Visionen“ findet, erlebt der unnatürliche Perfektionist meist genau das Gegenteil. Das Ergebnis des eigenen Handelns oder Seins hat vor dem vergleichenden Hintergrund der anderen oft nur sehr kurze Zeit Bestand, bevor der Zustand der Unzufriedenheit das Feld wieder für sich zurückerobert. Das ständige Streben nach höher, neuer, besser, weiter mutiert für viele fast unbemerkt zum immanenten Zwang.

von Dirk Stegner

5. Juni 2020

„Dieser Mechanismus, das eigene perfekte Ergebnis jedes Mal aufs neue überbieten zu müssen, führte mich zu einer völlig unnatürlichen Haltung. Aus einer zunehmenden Versagensangst heraus, nahm ich mir damit selbst die Chance, Fehler machen zu dürfen. Fehler, aus denen ich hätte lernen können.“

Auszug aus: Dirk Stegner „Weisheit zwischen Wald und Wiese“

Bildlich dargestellt, könnte man das Szenario mit dem 10m-Sprungturm im Freibad vergleichen. Während der „gesunde Perfektionist“ vielleicht beim 5m-Brett seine ideale Sprunghöhe findet und die für ihn befriedigende Erfahrung machen kann, diesen Sprung gemeistert zu haben, hat es der „ungesunde Perfektionist“ da reichlich schwerer. Er muss sich von Mal zu Mal steigern, nur um sich und anderen zu beweisen, dass er der Bessere ist. Durch den ständigen Vergleich steigt nicht nur der permanente Unzufriedenheitsfaktor, sondern nimmt mit zunehmender Sprung- beziehungsweise Fallhöhe auch die Gefahr zu, sich selbst dabei ernsthaft zu verletzen.

Wie bereits gesagt, hat diese Form der Unzufriedenheit leider ebenso immer häufiger Auswirkungen auf das soziale Miteinander. Wer sich in einem derartigen Zustand befindet, neigt vermehrt dazu, auch Mitmenschen seinen Frust deutlich spüren zu lassen. Die Palette reicht vom simplen Nörgeln, über das Herabsetzen der Leistungen anderer bis hin zur unfairen „Blutgrätsche“, um Mitstreiter aktiv aus dem selbsterfundenen Wettbewerb hinauszukicken. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ein sportlicher und fairer Wettkampf ist sicherlich eine sinnvolle Sache und eine gesunde Portion Ehrgeiz leistet gute Dienste dabei, die eigenen Pläne konsequenter verfolgen zu können. Der Grad der Zufriedenheit mit der „persönlichen Perfektion“ hängt jedoch in hohem Maße davon ab, ob es sich beim gesetzten Ziel auch tatsächlich um ein eigenes handelt!

Für mich und meine Arbeit bedeutet dies, dass ich heute nicht mehr wie früher zwanghaft versuche, es noch besser zu machen. Der Vergleich mit anderen dient mittlerweile nicht der Bewertung eines persönlichen Perfektionsgrades, sondern lediglich der Orientierung und dem interessierten Betrachten neuer Entwicklungen. Ich habe gelernt, jenem wohligen Gefühl zu vertrauen, welches sich einstellt, sobald etwas „fertig“ ist. Für mich ist es perfekt, wenn es sich gut anfühlt und ich mit meinem Tun vollends zu frieden bin. Genau dann eben, wann immer ich ein Ziel erreicht habe. Mein Ziel.

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Krisengedanken (4)

  • Dirk Stegner
  • Untertitel Text: Ungefragte Ratschläge: Segen oder Fluch?

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Krisengedanken

Ungefragte Ratschläge: Segen oder Fluch?

Wer kennt sie nicht, die gut gemeinten Ratschläge der lieben Mitmenschen. „Also wenn ich Du wäre, dann würde ich ...“ oder „ich würde das ja anders machen“, sind Sätze, die beispielsweise beim lockeren Gespräch über Zukunftspläne im Bekanntenkreis meist nicht lange auf sich warten lassen. Dabei hatte man eigentlich gar nicht um Hilfestellung oder eine zweite Meinung gebeten.

Genau so erging es mir, als ich damals offen mit Kollegen und Bekannten über meine neue Geschäftsidee sprach. Ich war so begeistert von ihr, dass es nur so aus mir heraussprudelte. Ein großer Fehler, wie ich bereits einige Sekunden später feststellen musste. „Wow, das ist aber ganz schön mutig von Dir. Also ich möchte nicht auf ein geregeltes Einkommen verzichten. Hast Du Dir das wirklich gut überlegt?“, fragte mein Gegenüber. „Ja, der Sohn eines Nachbarn hat neulich auch alles verloren, schlimm!“, stieg eine weitere Bekannte in die Meinungspolonaise ein. Ohne dass ich es überhaupt wollte, war meine Lebensplanung zum Diskussionsthema der illustren Runde um mich herum geworden. Selber schuld, was plaudere ich auch so offen über solche Themen.

von Dirk Stegner

22. Mai 2020

„Du schwimmst mit Deiner kreativen Energie und nicht gegen sie. Der Punkt ist einfach der, dass kein anderer erkennen kann, wann für Dich genau der beste Zeitpunkt gekommen ist, etwas Bestimmtes zu tun oder vielleicht auch nicht. Dein Bauchgefühl hingegen kann das ganz ausgezeichnet.“

Auszug aus: Dirk Stegner  „In Wahrheit ich“

Doch nicht nur im kleinen Kreise, wird man leicht zur Zielscheibe für ungefragte Ratschläge und Empfehlungen aller Art. Auch auf Facebook & Co. gibt es viele Menschen, die andere gerne an ihrer Meinung teilhaben lassen, und das meist sehr sendungsbewusst. Missionstätigkeit anno 2020, möchte man fast schon sagen. Der Themenvorrat ist dabei nahezu unerschöpflich: gesunde Ernährung, Tier- und Kindererziehung, der Brexit, die Landtagswahlen, bis hin zum richtigen Verhalten während der Corona-Pandemie. Einmal kurz nicht aufgepasst und schon muss sich die eigene Meinung nicht nur gedanklich gegen starke externe Konkurrenz durchsetzen.

Stellt sich die Frage, warum das „Support-Gen“ in vielen von uns eigentlich so tief verankert ist? Dafür gibt es sicherlich eine ganze Reihe von mehr oder weniger guten Gründen. Die Angst, sich auch selbst verändern zu müssen, im Falle, dass andere ihrem Leben mutig eine neue Richtung geben, ist wohl einer der gewichtigsten. Jeder kennt gewiss das ungute Gefühl, das sich einstellt, wenn ein Freund sich mit dem Gedanken trägt, für immer wegzuziehen. Ist doch schön, so wie es ist, und nun soll sich durch diese Entscheidung auch mein Dasein verändern? Vielleicht sollte er lieber nochmal über seinen Entschluss nachdenken, ist ja schließlich ebenso zu seinem Wohle, oder nicht?

Oft ist es auch die „gut gemeinte“ Übertragung der eigenen Befürchtungen auf die Situation anderer. Wer Negatives erlebt hat, dessen Beschützerinstinkt ist schnell geweckt, wenn im Bekanntenkreis jemand von einer ähnlichen Problematik berichtet. Allerdings vergisst der Protektionist im Eifer des Gefechts gerne, dass die Menschen von Natur aus sehr verschieden sind. Was für den einen ein unüberwindbares Hindernis darstellen mag, meistert der andere förmlich mit Links. Zumindest, solange ihn seine und die übertragenen Zweifel nicht davon abhalten. Schützen „gute Ratschläge“ den Spender also vielleicht davor, eines Tages mit den lieben Sorgen alleine dazustehen, weil der Bekanntenkreis selbige längst schon überwunden hat?

In manchen Ratschlägen schwingt oft auch ein klein wenig Überheblichkeit und ein Hauch von Machtanspruch mit. „Ich weiß es doch nun wirklich besser als Du, schließlich habe ich ja studiert!“ oder „In meinem Einflussbereich werden die Dinge so gelöst, basta!“. Solche gedanklichen beziehungsweise verbalen Konstrukte sollen schnell klar machen, wer der Chef im Ring ist und helfen diesem, allzu kreative „Aussteiger“ bereits präventiv in Schach zu halten. Am Ende des Tages bleibt die Erkenntnis, dass solche Ratschläge, so gut sie auch gemeint sein mögen, ihren „Opfern“ leider meist wenig weiterhelfen. Denn, jeder Mensch ist einzigartig sowie die Art und Weise, wie er Aufgaben bewältigt und mit Problemen umgeht. Oder bildlich ausgedrückt: Was nützt es dem Dieselfahrer, wenn ihm der Sportwagenliebhaber von den Vorzügen des Benzinmotors vorschwärmt?

Wer anderen wirklich helfen möchte, der rät nicht, sondern ermutigt und unterstützt. Das was insbesondere unsichere oder zweifelnde Köpfe garantiert am wenigsten gebrauchen können, sind zusätzliche Wahlmöglichkeiten in einer für sie ohnehin schon schwierigen Entscheidungssituation. Stattdessen könnten sie wahre Freunde und Fürsprecher brauchen. Menschen, die sie ermutigen, ihrer Intuition zu folgen, wo immer die sie auch hinführen mag. Menschen, die ihnen die Kraft geben, indem sie da sind, wenn sich die Entscheidung im Nachhinein als Fehler herausgestellt haben sollte, aber die Lernerfahrung für den Betroffenen einfach wichtig war. Menschen, die nicht urteilen, sondern andere auch mal da stehen und gehen lassen können, wo sie authentischer Weise hingehören, ohne Angst davor zu haben, selber schlechter dazustehen.

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Krisengedanken (3)

  • Dirk Stegner
  • Untertitel Text: Sorglos = naiv?

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Krisengedanken

Sorglos = naiv?

Erst gestern hatte ich eine kleine Unterhaltung mit einem Bekannten. Wir sprachen über dies und das. Dabei erwähnte ich beiläufig - im Nachhinein muss ich sagen, fast schon leichtsinnigerweise - dass ich mir im Hinblick auf bestimmte Dinge keine Sorgen mache. Mein Gegenüber parierte reflexartig: Sein Gesicht bekam einen ungläubigen, mich fast überheblich belächelnden Ausdruck. „Ja liest Du denn keine Nachrichten? Die Sache ist ernst, da muss man sich doch Sorgen machen! So naiv kannst Du doch nicht sein!“, schoss es aus ihm heraus. „Und was konkret denkst Du, dass sich an der Situation ändern würde, wenn ich mir jetzt auch Sorgen mache?“, fragte ich zurück.

Der kleine Dialog zeigt, wer sich keine Sorgen macht, gerät heute schnell in den Verdacht, naiv zu sein. Ein hoffnungsloser Traumtänzer, der einfach nur unfähig oder gar zu dumm ist, die Realität und seine eigene Lage richtig einschätzen zu können. Eventuell gilt man sogar als Querulant, denn man macht ja, mir nichts dir nichts, die ganze schöne negative Stimmung kaputt. Und das darf schließlich nicht sein, oder vielleicht doch?

Keine Frage, es gibt angesichts der aktuellen Situation einen ganzen Sack voller Dinge, die einem Sorgen bereiten können. Von den gesundheitlichen Schreckensszenarien, über die sozialen bis hin zu den wirtschaftlichen. Die Lage ist für jeden unbekannt und damit natürlich auch beängstigend. Man weiß nicht, wie gefährlich das alles ist, was auf einen zukommt oder wie man sich am besten verhalten soll. Ein beunruhigendes Gefühl. Schlimmer noch! Der Mangel an bekannten und erprobten Reaktionsstrategien auf die vorliegende Krisensituation ergießt sich über einen, wie ein zäher Sirup der Hilflosigkeit.

„Sich Sorgen zu machen ist wie im Schaukelstuhl zu sitzen.
Es beschäftigt einen, bringt einen aber nirgendwo hin.“
(Glenn Turner)

Man spürt den inneren Drang, etwas zu unternehmen, aber was? Die Antwort auf diese rhetorische Frage lautet: Sich Sorgen machen. Der Akt des sich Sorgens, liefert das besänftigende Gefühl, die begrenzende Mauer der Hilflosigkeit durch eine Form des Aktivwerdens durchbrechen zu können. Man kann anderen beweisen, „Hallo, ich kümmere mich darum. Ich bleibe nicht hier sitzen, ich tue was“. Gerade in unserer digitalen Kommunikationsgesellschaft, scheint dieser äußere Beweis einer wie auch immer gearteten Aktivität unverzichtbar, um sich nicht dem Verdacht eines naiven Nichtstuers auszusetzen.

Die Frage, die ich eingangs meinem Bekannten gestellt habe, allerdings bleibt. Alleine dadurch, dass ich mir Sorgen über etwas mache, komme ich der Lösung meiner situativen Probleme leider keinen Schritt näher. Im Gegenteil. Statt den Fokus auf mögliche Auswege zu lenken, beschäftigt sich der Sorgenmacher ständig damit, gerne auch in Gemeinschaft mit anderen, sich im Geiste alle möglichen Szenarien des Scheiterns auszumalen. Das ist das eigentliche Problem des Sorgenkonstruktes, denn es ist weder produktiv, noch in irgendeiner Weise lösungsorientiert und schon gar nicht optimistisch. Ein Ablenkungsmanöver unserer Psyche, um beängstigenden Situationen möglichst lange aus dem Weg gehen zu können.

von Dirk Stegner

5. Mai 2020

„Die Angst hat also immer zwei Seiten. Eine, die uns erstarren, flüchten oder kämpfen lässt und eine zweite, die uns Glücksempfinden und Wachstum beschert, sobald wir die Angstsituation gemeistert und aus ihr gelernt haben. Genau diese Ambivalenz ist es, die es lohnenswert macht, auch ab und zu den Fokus zugunsten der Angst in Richtung 'hilfreicher Bote' zu verschieben, statt in ihr immer nur den unheilvollen Sorgenbringer zu sehen.“

Auszug aus: Dirk Stegner „Natur-Coaching“

Mein alter Fahrlehrer brachte es recht anschaulich auf den Punkt. Sein Spruch, wenn ich der Bordsteinkante mal wieder bedrohlich nahekam, war immer: „Junge, Du fährst genau dahin, wohin Du schaust!“. Heute weiß ich, dass er damit nicht nur in Bezug auf das Autofahren recht hatte. Auch in puncto Sorgenvermeidung hilft dieser Ansatz weiter. Gerade in ausweglos erscheinenden Krisensituationen gilt mehr denn je, erst einmal Ruhe zu bewahren, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Nur ein wacher aufmerksamer Zustand ermöglicht es einem, die innere Stimme der Intuition überhaupt wahrnehmen zu können. Wer ständig damit beschäftigt ist, 24 Stunden lang täglich seinen Ängsten zu frönen und seine Sorgen lauthals aller Welt kundzutun, der hat erfahrungsgemäß wenig Zeit auf die eigenen Wegweiser zu achten. Um es wieder bildlich auszudrücken: Er blickt schlicht in die der Lösung abgewandten Richtung und missioniert seine Mitmenschen förmlich, es ihm gleichzutun.

Die Entscheidung zur Sorglosigkeit, ist also nicht in jedem Falle automatisch mit Naivität oder Dummheit gleichzusetzen. Nur wer bereit ist, sich „sorglos“ und ehrlich mit den eigenen Ängsten auseinanderzusetzen, kann auch die Chance nutzen, an ihnen zu wachsen und die Situation für sich damit in positiver Weise zu lösen.

In diesem Sinne wünsche ich eine möglichst sorgen- und angstfreie Woche.

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